TP7: Wirkungspotentiale von narrativer Evidenz

in der Berichterstattung über  Genforschung


Prof. Dr. Helena Bilandzic, Prof. Dr. Susanne Kinnebrock, Lisa Gresser


Das Projekt widmet sich der Ausgestaltung und Wirkung journalismustypischer Evidenzpraktiken, wobei die alltagsnahe und allgemeinverständliche Narration im Zentrum steht. In der ersten Projektphase wurden Evidenzpraktiken in der deutschen Print- und TV-Berichterstattung über Genforschung mit einer quantitativen Inhaltsanalyse untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass knapp die Hälfte der berichteten Befunde mithilfe von Narrationen plausibel gemacht werden, wobei Narrationen i.d.R. nicht für sich stehen, sondern mit weiteren Evidenzpraktiken (dem Verweis auf die Autorität der Quelle sowie auf Daten und Methoden) kombiniert werden und diese nicht konterkarieren, sondern unterstützen und stabilisieren. Die eingesetzten Narrationen sind i.d.R. reichhaltig gestaltet (hoher Narrativitätsgrad). Drei Typen von Geschichten haben sich herauskristallisiert: Narrationen über (1) den Forschungsprozess und den Studienverlauf, (2) über Forscherpersönlichkeiten und (3) die beforschten bzw. betroffenen Personen.

Ausgangspunkt des Nachfolgeprojektes sind diese nun vorliegenden Differenzierungen von Narrationen in der Wissenschaftsberichterstattung. Es ist aufgrund von Theorien der narrativen Verarbeitung und Persuasion zu vermuten, dass die verschiedenen Narrationstypen auch unterschiedliche Wirkungen beim Rezipierenden entfalten und dass dabei die Narrativität (die Ausgestaltung der Handlung, Struktur und Sprache einer Geschichte) eine Rolle spielt. Ziel des Nachfolgeprojekts ist es, diese differenziellen Wirkungen zu erhellen. In drei aufeinander abgestimmten Experimenten mit querschnittlichen Stichproben soll die Wirkung auf die Erinnerung und das Verstehen wissenschaftlicher Kriterien, sowie die Glaubwürdigkeit von Studien und Forschenden untersucht werden. Alle drei in der Inhaltsanalyse gefundenen Narrationstypen sollen dabei zum Einsatz kommen, ebenso wird es eine experimentelle Variation der Narrativitätsfaktoren geben. Als zentraler vermittelnder Faktor wird das narrative Erleben – das Versunkensein in eine Geschichte – einbezogen.

Indem dieses Projekt die Wirkungsweisen verschiedenartiger Wissenschaftsnarrationen erfasst, exploriert es zugleich die Funktionsweise eines Kommunikationsmodus, der auch für die Verständigung zwischen verschiedenen Evidenzkulturen bedeutsam ist. Hier unterstützt das Projekt eine zentrale Perspektive der Forschungsgruppe mit grundlegenden Kenntnissen zur Evidenzvermittlung auf Individualebene. Das Zusammenspiel von Re- und Destabilisierung von Evidenz wird mit Blick darauf, dass Narrationen in der Berichterstattung primär der Stabilisierung dienen, aufgegriffen, indem nun die Frage bearbeitet wird, unter welchen Bedingungen Stabilisierungseffekte bei Rezipierenden tatsächlich eintreten. Das Projekt wird auch einen bedeutsamen Beitrag zur narrativen Persuasion und zur Wissenschaftskommunikation leisten, indem es eine Differenzierung medialer Narrationen auf theoretischer Ebene bietet und spezifische Wirkungsmechanismen testet.