TP2: Narrativierung als Evidenzpraxis im öffentlichen Diskurs über Genforschung


Prof. Dr. Susanne Kinnebrock, Prof. Dr. Helena Bilandzic, Magdalena Klingler


Genforschung ist populär, nicht nur als Forschungsgebiet, sondern auch als Thema in den Massenmedien. Es sind einerseits denkbare medizinisch-therapeutische Anwendungen sowie andererseits die Angst vor Schädigungen durch unkontrollierbare Genmutationen, die das große gesellschaftliche wie mediale Interesse an Genforschung erklären, obwohl die Thematik hochabstrakt und infolge dessen schwer kommunizierbar ist.

Deshalb liegt die Frage nahe, wie Ergebnisse der Genforschung für ein Laienpublikum aufbereitet werden und wie dabei schwer nachvollziehbaren Studienbefunden Evidenz zugeschrieben wird. Da einem nichtwissenschaftlichen Publikum meist die Expertise fehlt, wissenschaftliche Ergebnisse zu evaluieren, kommt dem Journalismus hier die zentrale Aufgabe zu, das Zutreffen von Forschungsbefunden zu konstatieren und das als evident Erachtete an ein Medienpublikum weiterzuvermitteln. Journalisten und Journalistinnen betreiben somit eine Art des (second-level) practicing evidence; einerseits rezipieren sie selbst wissenschaftliche Evidenz, andererseits vermitteln sie diese der breiten Öffentlichkeit weiter – natürlich nicht, ohne die wissenschaftliche Evidenz entlang von Medienlogiken zu transformieren.

Dieses Projekt widmet sich der Narrativierung als Evidenzpraktik. Es geht davon aus, dass Medien – neben der an die Wissenschaft angelehnten Evidenzpraktik der Daten- und Methodendarstellung – auch auf Narrationen zurückgreifen, um Genforschung zu erläutern und zu plausibilisieren. Narrationen haben unter den möglichen sprachlichen Darstellungsformen eine besondere Stellung, da sie dem Publikum aufgrund ihrer Alltagsnähe bestens vertraut sind und Erinnerung, Interesse, Verstehen, Zugänglichkeit und Relevanzzuschreibung bei der Wissenschaftsvermittlung fördern können. Dies gilt insbesondere dann, wenn für den Menschen schwer erfahrbare und abstrakte Thematiken, wie eben die Genforschung, vermittelt werden sollen.

Mithilfe einer standardisierten Inhaltsanalyse eines breiten Spektrums an Printberichterstattung zur Genforschung sollen die Narrativierung als Evidenzpraxis und vergleichend dazu auch andere mediale Evidenzpraktiken und ihre Einsatzkontexte exploriert werden. Dafür werden die Fokusse der Mediengeschichten über Genforschung (z.B. Geschichte über den Erkenntnisprozess, über die Betroffenen oder die Wissenschaftler/innen), ihr (variabler) Narrativitätsgrad sowie ihre Bezüge zu fiktionalen Masterplots der Wissenschaftsdarstellung (z.B. Frankensteinmythos) erhoben und mit Aspekten, wie etwa der Valenz in der Berichterstattung, in Beziehung gesetzt.