Tandem 3

Verflechtung – Wissenschaftscommunities und Laienschaft


Teilprojekt 5: Evidenzsicherung im Schnittfeld von Geowissenschaften, Environmental Humanities und Umweltöffentlichkeit (Trischler)


Teilprojekt 6: Evidenz in der Citizen Science zwischen Expertenkontrolle, Laienkompetenz und Technisierung (Dickel/Maasen)


Die beiden Teilprojekte zu Evidenz in der Anthropozändebatte (Teilprojekt 5) und in der Citizen Science (Teilprojekt 6) gehen von der These aus, dass in spätmodernen Gesellschaften verschiedene Wissenschaftscommunities und Öffentlichkeiten auf zahlreichen Ebenen und in wachsendem Maße an der Produktion und Nutzung von wissenschaftlich-technischem Wissen teilnehmen. Das Tandem untersucht die Leitfrage, wie Evidenzpraktiken funktionieren und sich verändern, wenn unterschiedliche Expertengruppen und Öffentlichkeiten in sozio-epistemische Arrangements eingebunden sind. Dabei interessiert nicht in erster Linie, welche Formen der Evidenzproduktion und -stabilisierung dem normativen Leitbild einer sozial robusten Wissensgesellschaft mehr oder weniger gut entsprechen. Vielmehr werden jene Evidenzpraktiken in den Fokus genommen, an denen Akteure und Akteurinnen beteiligt sind, die entweder außerhalb zertifizierter wissenschaftlicher Professionsgemeinschaften stehen oder aber ganz verschiedenen wissenschaftlichen Gruppierungen angehören.

Das Tandem untersucht solche Verflechtungen von Evidenzpraktiken zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit aus zwei komplementären Perspektiven: Teilprojekt 5 analysiert den transdisziplinären Diskurs zum Anthropozän. Es fragt, wie die Diskussion um das Zeitalter des Menschen den Rahmen der Bio- und Geowissenschaften gesprengt hat, und wie sie sogar zu ‚Popkultur‘ geworden ist. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vieler Disziplinen führen mittlerweile intensive Debatten um das Anthropozän. Doch längst hat das Anthropozän den Raum der Wissenschaft verlassen und wird auch in den Medien und der Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Das Verwischen etablierter Grenzziehungen nicht nur zwischen Natur und Kultur, Mensch und Erde sowie Umwelt und Gesellschaft, sondern auch zwischen tradierten disziplinären Kulturen der Wissensproduktion steht im Zentrum der Untersuchung. Hier bildet sich ein spezifisches wissenschaftliches Problemfeld heraus, an dem die Beteiligung unterschiedlicher Experten- und anderer Öffentlichkeiten neue Aushandlungsprozesse in Bezug auf Evidenz provoziert.

Teilprojekt 6 analysiert Evidenzpraktiken der Citizen Science, die aus der öffentlichen Partizipation an Forschungsprozessen resultieren – ebenfalls oft im Zusammenhang mit Umweltfragen: Im Rahmen der Citizen Science können Laien an der Generierung und Auswertung von Daten teilhaben, etwa vermittelt durch digitale Plattformen oder mobile Geräte. In einigen Fällen haben sich dabei Gruppen von Amateurforschern und -forscherinnen gebildet und digital vernetzt, die eigene sozioepistemische Ansprüche erheben. Während Teilprojekt 5 die Verflechtungen von Wissenschaft und Öffentlichkeit hermeneutisch erschließt, arbeitet Teilprojekt 6 mit qualitativ-empirischen Methoden. Die inhaltliche und methodische Komplementarität der Projekte ermöglicht es, bislang unübliche sozioepistemische Arrangements und Verschiebungen in den Evidenzpraktiken zu erkennen, in denen die Verflechtung von Disziplinen sowie von Wissenschaft und Öffentlichkeit selbst Teil der Aushandlungsprozesse ist.

Das Tandem trägt damit zu einem verbesserten Verständnis von Strukturen und Konstellationen spätmoderner Wissensgesellschaften bei, in denen sowohl auf der normativen als auch auf der empirischen Ebene unterschiedliche Akteure und Akteurinnen eine wachsende Bedeutung für die Wissensproduktion gewinnen.